BMW R 1300 R und Ducati Streetfighter V2 S im Test: Boxer und V2 im Vergleich

BMW R 1300 R und Ducati Streetfighter V2 S im Test
145-PS-Boxer und 120-PS-V2 im Vergleich

ArtikeldatumVeröffentlicht am 29.12.2025
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Na gut, ich gebe es zu: Diese Klammer, die wir da um BMW R 1300 R und Ducati Streetfighter V2 S ziehen, mag auf den ersten Blick vielleicht nicht die naheliegendste der Welt sein. 410 Kubikzentimeter, 26 PS, 55 Newtonmeter und ebenso viele Kilogramm liegen wie überdimensionale Trennblätter zwischen den Akten der beiden Nacktsportler. Aber auf den zweiten Blick haben sie doch mehr gemein, als man denken mag.

Leistungsgewicht verblüffend nah beieinander

Der Preisunterschied ist für die (schmerzhaften) heutigen Verhältnisse nicht sooo groß. Selbst wenn die BMW R 1300 R mit dem gut 3.200 Euro teuren Style Performance-Paket ausgestattet ist, das für einen Großteil der neuen Sportlichkeit verantwortlich ist.

Das Leistungsgewicht (BMW: 1,66 Kilogramm/PS, Ducati: 1,56 Kilogramm/PS) liegt gar verblüffend nah beieinander. Und wer ein sportliches, aber irgendwie noch nicht ganz dem Wahnsinn verfallenes Naked Bike mit nicht alltäglicher Zweizylinderkonfiguration und Premium-Aura sucht, landet quasi alternativlos in Bayern oder Bologna.

Und dann wäre da ja noch die eingangs gestellte, durchaus spannende Kardinalfrage: Trifft man sich wirklich in der Mitte, wenn man sich von zwei verschiedenen Enden aufeinander zubewegt?

BMW R 1300 R: eine ordentliche Portion Bullenreiten

Ein Auge auf die BMW geworfen, ist man geneigt, spontan Ja zu sagen. Knackiges Heck, gedrungene Breitschultrigkeit an der Front, aggressive Fratze und wilde Kriegsbemalung: So laut kam noch kein Boxer-Roadster aus der Münchner Garage.

Und die Sitzprobe bestärkt den Eindruck, dass hier nicht nur eine große Show gemacht wird. So tief wurde man auf einer R noch nicht über den langen Tank gespannt, und so gering war auch der Abstand zwischen Sitz und Fußrasten bislang zu keiner Zeit. Das schmeckt man nach einer ordentlichen Portion Bullenreiten.

Noch konsequenter für diese Stoßrichtung wäre allerdings, wenn die hohen Fußrasten noch etwas weiter hinten sitzen würden. Das Performance Style-Paket beinhaltet zwar eine edel gefräste, verstellbare Rastenanlage, mit der lassen sich die Rasten aber unglücklicherweise nur noch höher und noch weiter vorn platzieren. Nun, zumindest meinen sie es anscheinend wirklich ernst in München.

Performance und Leistung: BMW bleibt halt doch BMW

Der jetzt schon viel bemühte Performance Style der BMW R 1300 R untermauert das eindrücklich. Neben dem bereits Genannten hält er noch das eh gern genommene Dynamik-Paket bereit, samt Quickshifter, Fahrmodi Pro, einer extrabissigen Bremse und dem neuen Dynamic Suspension Adjustment (DSA) mit variabler Federrate. Letzteres wird gleich noch etwas nachgestrafft, und griffigere Gummis (Dunlop Sportsmart MK3) gibt es noch obendrauf.

Angesichts dieses Wettrüstens zündet sich der exakt 1.300 Kubikzentimeter messende Boxer fast zurückhaltend ins Leben. Kein Vergleich zu früheren Generationen. Das gilt aber auch für alles, was folgt. Es wird einfach mit jeder Boxer-Generation eine weitere Schippe auf einen eh schon riesigen Haufen Power geschüttet.

Anstelle der nächsten blumigen Umschreibung der Kraftentfaltung diesmal eine kurze Anekdote: Schon der selige 1250er-Boxer der Vorgänger-Generation kugelte Exkollege Jelicic dank eines unerwarteten Powerwheelies einfach mal die Schulter aus: so stark, dass es weh tat. Das gilt für den 1300er umso mehr. Natürlich inklusive cremiger Gasannahme in jedem Modus, höchster Laufkultur und Mini-Verbrauch. BMW bleibt halt doch BMW.

Sportbremse steht Motorgewalt in nichts nach

Trotzdem, ein gut gemeintes Wort der Warnung: Die "Sportbremse" steht der Motorgewalt in nichts nach, und wer sich im Dynamic-Pro-Modus verleiten lässt, die Fahrhilfen allzu weit runterzuregeln und das Gas maximal anzuschärfen, ist öfters damit beschäftigt, den bilateralen Überschlag zu verhindern. Wer dann noch das weit spreizbare Fahrwerk (Road und Dynamic bieten jeweils sieben Härtestufen) zu sehr in Richtung straff schaltet, sitzt auf einem überraschend reaktiven, fast schon bissigen Gesamtsystem.

Das traditionell rustikal arbeitende Getriebe samt strammer Kupplung und mal unter-, mal überambitioniertem Quickshifter schärft die Kanten dabei eher noch nach, als sie zu glätten. Ordentlich Last plus etwas Schräglage plus Gangwechsel, und man merkt eindrücklich, welch kinetische Energie da zwischen Motor und Hinterrad verarbeitet werden muss.

Makellose Längsdynamik, potenzielle Nebenwirkungen

Klar, keiner ist gezwungen, auf diese Weise zu fahren oder die umfangreiche Elektronik zu justieren. Und selbst diese per Modell-Update und Konfiguration maximal angespitzte BMW R 1300 R kann selbstredend auch gediegenes Power-Cruising mit sehr viel mehr als nur Restkomfort.

Aber zumindest von dieser Seite der Medaille aus steht heute halt der Sport im Vordergrund. Und der kommt bei makelloser Längsdynamik halt auch mit ein paar potenziellen Nebenwirkungen. Ein Maß an Reibfläche, das im Hause BMW, Abteilung Boxer, vielleicht überrascht, aber in der restlichen Welt ja durchaus auch als unterhaltsam gelten kann.

Mit Ruhe und Stabilität in Kurven

Einen neuen Twist gibt es auch in Sachen Querdynamik. Beste Tradition bei den großen Nacktboxern ist die eherne und jederzeit Vertrauen spendende Stabilität, sowohl geradeaus als auch vor allem im Radius. Die neue BMW R 1300 R macht da keine Ausnahme und tranchiert Kurven mit der Ruhe und Souveränität eines gewichtigen Langschwerts. Das verwundert angesichts der kaum veränderten Geometriewerte nicht. Und dass (übrigens nach wie vor) 242 Kilo in solch einem lang gezogenen Bomber beim schnellen Umlegen etwas Kraft erfordern, ebenso wenig.

Doch das für diese Gewichtsklasse vergleichsweise leichte Einlenken der bisherigen R haben die Bayern zugunsten der neuen Vorderradorientierung ein wenig geopfert. Man hat nun wesentlich mehr Gefühl für die Front und kann auch etwas präziser einlenken, muss dafür aber initial mehr Kraft aufwenden und vor allem in tiefen Schräglagen einer leichten Aufstellneigung entgegenwirken.

Das ist natürlich nicht optimal in Sachen neutrales Lenkverhalten, aber letztendlich passt das auch irgendwie wieder zur neuen Stiernackigkeit und Hemdsärmeligkeit made in Bavaria. Und ein bisschen mehr Involviertheit im Gerät steht sportlicher Zweiradware ja öfters mal ganz gut.

Ducati: Auf dem Weg zur sportlichen Mitte

Circa 550 Kilometer weiter südlich in Bologna kennt man sich genau damit nicht erst seit gestern bestens aus. Ducatis standen lange Zeit gar fast ausschließlich für kompromisslose Sportlichkeit und eine maximale Reibfläche in der Mensch-Maschine-Interaktion.

Nun, das hat sich mit neu beackerten Fahrzeugklassen und einer breiteren Kundschaft schon lange ein wenig aufgeweicht. Doch nicht so sehr, dass nicht noch ein bisschen was gehen würde. Dafür steckt auch heute noch mehr als genug Reibfläche auf den besonders sportlich gelabelten Ducs.

Weshalb man mit der neuesten Auflage der "kleinen" Ducati Streetfighter V2 S in Borgo Panigale nun einiges tat, um sich vom sportlichen Ende her der Mitte anzunähern. Tatsächlich lesen sich viele der Maßnahmen erst mal wie ein diametraler Gegenentwurf zum Trainingsprogramm des Bayern-Boxers: Die Geometrie wurde leicht Richtung Stabilität justiert, die Ergonomie ein wenig zivilisiert, die Öhlins-Dämpfung etwas komfortisiert und der Motor ... ja nun, um über 30 PS reduziert. Klingt nach unfreiwilliger Zahnextraktion, aber ist nur eine Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille: ein austrainiertes Rennpferd

Denn das eh schon recht schlanke Krad wurde gleichzeitig um fast genauso viele Kilogramm erleichtert. Dazu tragen vor allem die nun zweiarmige Schwinge sowie der neue, mittragende 890er-V2 bei. Nunmehr ohne Desmodromik und Hörsturzgarantie, aber mit variabler Ventilverstellung und alltagstauglicher Leistungskurve.

Beim Umstieg von der BMW R 1300 R auf die Ducati Streetfighter V2 S fühlt man sich, als würde man vom massigen Kampfstier auf ein austrainiertes Rennpferd hüpfen. Optisch, gefühlt und auf der Waage hat man hier ein viel kompakteres Motorrad unter sich. Doch gelümmelt wird auch hier nicht. Man sitzt etwas weniger Richtung Vorderrad gespannt, dafür sind die Fußrasten dem Sportsujet folgend etwas weiter hinten.

Streetfighter mit runderneuertem V2

Runde Sache, genau wie der runderneuerte V2. Die funktionale Kante des lauten und drehzahlorientierten Vorgängers hat er hinter sich gelassen, mit einem gleichmäßig breiten Power-Rücken aufgefüllt, und sich trotzdem bollernd, sprotzelnd und angenehm vibrierend reichlich Charakter bewahrt.

Dass der Rücken hier nur gut trainiert und nicht maximal aufgepumpt ist, fällt nicht negativ auf. Die Kraft kann dank fein abgestimmter Motor-Mappings und sorgsam wachender Elektronik easy angezapft werden, solange 2.500 Touren und mehr auf dem Drehzahlmesser stehen.

Und das mechanisch wie akustisch viel unauffälligere Getriebe samt schnell und zuverlässig arbeitendem Quickshifter macht die Dosierung der allzeit bereiten 120 PS nicht gerade schwerer.

Vielleicht sind die Manieren dieses Antriebsstrangs nicht ganz so servil wie beim Boxer, aber da die Faust auch nicht ganz so arg zuschlägt, lassen sich die Kraftspitzen auch bei grober Behandlung stressärmer abfedern.

Streetfighter noch mehr zum Wheelie als die brachial drückende R

Was keineswegs heißt, dass die Ducati Streetfighter V2 S zum Nasebohr-Moped geworden ist. Wir erinnern uns: Hier müssen tatsächlich weniger Kilo pro PS bewegt werden als auf der BMW, was zu kaum schlechteren Fahrleistungen führt. Wer zu lax in Sachen Elektronik unterwegs ist, sollte auch in diesem Sattel gut wissen, was er oder sie tut.

Denn vorn neigt die leichte, weniger frontlastige Streetfighter noch mehr zum Wheelie als die brachial drückende R. Also: besser die feinskalierbare Wheeliekontrolle drinlassen. Selbst ein in diesem Bereich bekannt talentfreier Redakteur – nennen wir ihn C. – konnte so auf Stufe 1 einfach und sicher ein paar Sekunden amtliche Vorderrad-Airtime produzieren.

Und hinten? Auch lieber die Elektronik wachsam halten, denn das ABS hält das Hinterrad nur im zahmsten der drei Modi (3) wirklich zuverlässig am Boden. Schade, da es dann gleichzeitig einiges an Bremsleistung der feinstdosierbaren M50-Brembos verschenkt. Hier wäre ein wenig mehr Mut zur Mitte wünschenswert gewesen.

Streetfighter: Kaum weniger sportlich, dafür zugänglicher

Ungefähr so wie beim Handling. FÜNFUNDFÜNFZIG Kilo Vorteil. Klar lässt sich so spürbar leichter von Schräglage zu Schräglage wuseln. Zusammen mit dem breiten Lenker verkommt es zur Fingerübung, so ziemlich jeden Winkel zwischen null und 50 Grad Schräglage punktgenau und fröhlich alternierend vorzuwählen. So weit, so Leichtgewicht.

Dass die Ducati Streetfighter V2 S dabei das aggressiv Nervöse ihrer Vorgängerin aber verloren hat und trotzdem fast genauso stabil durch die Radien schneidet wie die erdige BMW – nur halt ohne kerniges Aufstellmoment –, ist die eigentliche Sensation. Und neben dem feinsinnig domestizierten Motor der Hauptgrund, warum die Streetfighter gefühlt kaum weniger sportlich, aber dafür sehr viel zugänglicher geworden ist.

Ducati Streetfighter V2 S: Komfort bedarf Verbesserung

Aber gut, wie sieht es denn in Sachen Komfort aus? Ist ja nicht ganz unwichtig, wenn man vom Sport Richtung Mitte will. Nun, die Zeiten, als das adelnde "S" im Ducati-Portfolio auch für superstraff hätte stehen können, scheinen langsam vorbei.

Die Öhlins-Ware spricht fein an, tastet den Untergrund sämig ab und funkt diesen authentisch, aber human durch. Nur vorn fanden wir die Gabel einen Tick zu harsch und softeten die Zugstufe leicht nach. Die Grundjustage des Fahrwerks ist etwas nachgiebiger als bei der BMW auf Dynamic, bietet aber einem Straßenkämpfer adäquate Reserven. Das gilt am Ende eines langen Tages leider nicht für das dünne Sitzpolster. Dessen (optionales) Pendant für den Sozius übrigens ein echter Folterstuhl ist. Doch noch eine echte Sport-Ducati …

Fazit