KTM 1390 Super Duke R Test gegen 1290 Super Duke R

KTM 1390 Super Duke R Evo im Top-Test
Ist die KTM 1390 Super Duke besser als die 1290?

Veröffentlicht am 28.05.2024

Im Top-Test fühlen wir der 1390 Super Duke R Evo genau auf den Zahn und haben zum Vergleich die 1290 Super Duke R Evo zum Test gebeten. Auf den Prüfstand geschnallt, muss die neue KTM 1390 Super Duke R zunächst ihre Power unter Beweis stellen. Knapp 142 Nm bescheinigt das Protokoll und 196 PS – irre. Zwar stehen nur anderthalb Nm Gewinn im Vergleich zur 1290er auf der Habenseite, doch bei der folgenden Messung der Fahrleistungen profitiert die 1390er besonders von der deutlich erstarkten Drehzahlmitte. Leider ist der V-Twin mit 48 Kubikzentimetern mehr Hubraum noch rauer und vibriert stärker, sodass er unterhalb von 3.500/min in den Gängen fünf und sechs praktisch unfahrbar ist.

Ab 3.500/min gnadenlos

Darüber geht’s aber gnadenlos voran. Wenn die Elektronik bei etwa 6.500/min die Einlassnockenwellen der 1390 Super Duke R axial verschiebt und auf eine schärfere Nocke umstellt, steigt die Power weiter an und reißt bis 10.700/min nicht ab. Dass der Durchzug im sechsten Gang von 60 bis 100 km/h nicht unbedingt beeindruckend ausfällt, ist im radikalen Charakter des Hubraumriesen und der zwar kürzeren, trotzdem noch immer recht langen Übersetzung (284 km/h) begründet. Klar, wenn die jeweils 110 Millimeter durchmessenden Kolben untertourig oszillieren, dreschen sie grob auf die Kette ein, statt kontinuierlich an ihr zu ziehen.

Schneller Slalom liegt der 1390 Super Duke

Doch im Top-Test heißt die nächste Station nicht Tirol, sondern Pylonen-Parcours. Das schnelle Wedeln bei hohem Tempo liegt der 1390 Super Duke R Evo. Aus der Senkrechten lässt sie sich mit einem Minimum an Kraft in Schräglage werfen. Der breite Lenker bietet dabei einen guten Hebel, und die Ergonomie mit hohem Sitzpolster und hohen, sportlich weit hinten angebrachten Rasten bringt Fahrer oder Fahrerin in eine aktive Angriffsposition, mit nicht zu viel Last auf den Handgelenken. Diese Ergonomie ist bekannt.

Neues Fahrwerk immer zu straff

Der handliche Michelin Power GP-Reifen in Verbindung mit dem um ein halbes Grad steiler stehenden Lenkkopf helfen der KTM 1390 Super Duke R im Vergleich mit ihrer Vorgängerin spürbar auf die Sprünge. Wenngleich schnelle Richtungswechsel vom auffällig straffen Fahrwerk nicht gerade lässig weggesteckt werden. Beim harten Umlegen verliert das Vorderrad im Dämpfungsmodus Street am höchsten Punkt immer wieder kurz den Bodenkontakt, während die Hinterhand dabei sehr steif wirkt. Etwas sattere Straßenlage bringt die Komfort-Abstimmung des semiaktiv arbeitenden WP-Fahrwerks – die für den Normalbetrieb auf öffentlicher Landstraße noch immer recht straff ausfällt, dazu später mehr. Spürbar solider meistert die 1290 Super Duke R Evo den Slalom. Sie biegt zwar weniger agil ab, liegt dafür souveräner. Die bessere Zeit sichert der 1390er allein der brutale Punch, mit dem sie verlorene Meter nach dem Umkehrpunkt aufholt.

Gieriger und unpräziser

Im langsamen Slalom ein ähnliches Bild. Gieriger, allerdings weniger präzise schwingt die 1390 Super Duke R von maximaler Linksschräglage in maximale Rechtsschräglage und zurück. Schräglagenfreiheit und Sidegrip sind kein Thema, ein leichtes Aufstellmoment beim Bremsen und über Unebenheiten dagegen schon. Mit fahrerischem Einsatz lässt sich diese Eigenheit kaschieren und schlägt sich daher nicht negativ in den Messwerten nieder. In maximaler Schräglage ist das Feedback zudem gut, was in der Kreisbahn eine starke Performance ermöglicht. Das gilt allerdings in beinahe gleichem Maße für die 1290 Super Duke R Evo, die nur marginal langsamer ist. Weil man auf der Landstraße ohnehin nur selten lange in maximaler Schräglage fährt, fällt dort eher der Weg dorthin auf. Die 1390er funktioniert zackiger ab, die 1290er neutraler.

1290 und 1390 Super Duke können Komfort

Wer gelassen über die Test-Buckelpiste gleiten will, muss bei 1290 Super Duke R Evo und 1390 Super Duke R Evo der softeste Fahrwerksmodus einstellen. Bei der 1390er heißt der wie erwähnt nicht Komfort, sondern Rain. Erst in diesem Setting öffnet das überarbeitete WP-System die Dämpfungsventile weit genug für ausreichenden Federungskomfort und verhärtet über Asphaltrisse nicht zu sehr. Die Abstimmung des Street-Modus würde bei den meisten anderen Bikes das obere Ende der Sportlichkeit markieren, die 1390 Super Duke R Evo hält die noch strafferen Sport sowie Track und Pro (jeweils 1–3, individualisierbar) bereit. Für eine flotte Landstraßenrunde empfehlen wir Rain oder Komfort, beide genügen selbst sportlichen Ansprüchen. Selbst wenn dann beim harten Beschleunigen der Michelin-Pneu schwarze Striche auf den Asphalt malt, bleibt die 1390 Super Duke stabil auf Kurs.

Gute Gabel in der neuen 1390 Super Duke

Das Ansprechverhalten von Gabel und Federbein der neuen KTM 1390 Super Duke R ist derweil gut, folgen mehrere harte Schläge aufeinander, sorgt die Elektronik wie erwähnt für ein Verhärten der Dämpfung und damit direkte Weitergabe in Handgelenke und Bandscheiben. Neben der Dämpfung lässt sich die Vorspannung am Heck elektronisch einstellen. Sie bewirkt eine mehr oder weniger agile Geometrie. Auf der Landstraße empfehlen wir zugunsten der Stabilität "Auto Mid" oder "50 Prozent". Die Änderung der Vorspannung bedeutet eine Verstellung der Sitzhöhe um etwa 20 Millimeter (null vs. 100 Prozent, 840 bis 860 mm). Zu hastiges Abtauchen der Gabel beim harten Bremsen ist ohne Aktivierung der "Anti Dive"-Funktion kein Problem.

Erstklassiges ABS der KTM

Die 1390 Super Duke R Evo bleibt selbst bei heftiger Verzögerung sehr stabil. Die Abstimmung des ABS beweist sich zudem bei den Bremsmessungen als erstklassig. Im Road-Setting stoppt die Super Duke über die wunderbar dosierbaren Brembo-Anker nicht nur auf den Punkt, sondern mit beeindruckenden Verzögerungswerten. Ohne das Heck zu heben, holt das System das Maximum aus den sehr gut verzahnenden Michelin-Gummis heraus und bringt die Fuhre aus 100 km/h nach exakt 39 Metern zum Stillstand – wow! Eine klare Verbesserung zur 1290er. Im Supermoto-Modus des Blockierverhinderers – hinten inaktiv, Abhebeerkennung deaktiviert – gelingen keine besseren Werte. Wer beim Anbremsen dazu hart herunterschaltet, muss trotz Anti-Hopping-Funktion der Kupplung bei niedriger Drehzahl mit feinfühliger Dosierung des Kupplungshebels das Stempeln des Hinterrads unterbinden.

Traktionskontrolle während der Fahrt einstellbar

Neben dem erstklassigen ABS ist die weitere Assistenzelektronik der 1390 Super Duke R Evo auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Traktions- und Wheeliekontrolle lassen sich separat voneinander justieren und verrichten ihre Aufgaben tatsächlich unabhängig und sehr fein. Bei der Traktionskontrolle gefällt zudem die einfache Feineinstellung per Wippe auf der linken Lenkerseite während der Fahrt. Motorbremse und Ansprechverhalten sind ebenfalls variabel. Wer die volle Power des Motors spüren will, wählt Ansprechverhalten Track. In den anderen Settings geht die Super Duke nicht nur sanfter ans Gas, sondern gibt das Drehmoment bei voll geöffnetem Gasgriff verhaltener frei. Alle Assistenzsysteme lassen sich im Menü des Fünf-Zoll-Dashboards intuitiv einstellen. Weiterhin sind Tempomat und Laptimer an Bord – nice to have. Und der Quickshifter mit Blipperfunktion – must have.

Kupplung fordert Kraft

Im Alltag stellt das Schalten ohne Kupplung eine große Erleichterung dar. Besonders für den linken Unterarm, denn die Kupplung darf unverblümt als sehr kraftfordernd bezeichnet werden. Wer den Schalthebel beim kräftigen Beschleunigen nicht klar betätigt, findet sich gelegentlich zwischen den Gängen. Und die zum Test gelieferte 1390 Super Duke R Evo fiel leider mit diversen, im Alltag nervigen Eigenheiten auf.

Kinderkrankheiten der 1390 Super Duke R?

Zum einen stand das 1390 Super Duke R auf Kriegsfuß mit dem Funkschlüssel, der eigentlich praktisch in der Tasche oder im Rucksack verbleiben können sollte. Er wurde vom Bike oft nicht erkannt, woraufhin man ihn lästig herauskramen und die Taste auf dem Schlüssel drücken musste. Nach dem Start folgten dann regelmäßig diverse Fehlermeldungen, von "Abblendlicht" über "Bremslicht" bis "elektronischer Preload-Adjuster". Eine Fehlfunktion der Systeme konnte allerdings nicht festgestellt werden. Zum anderen fiel das Startverhalten der Super Duke auf. Nach Betätigung des Starterknopfes gelang es dem Anlasser mehrfach nicht, beim ersten Anlauf den Motor durchzudrehen. Und er kam mit einem mechanischen "Klock" wieder zum Stillstand, bevor er ein zweites Mal ansetzte und dann bis zum nächsten Totpunkt genug Schwung aufbauen konnte.

Neue Optik, gutes Licht

Positiv dagegen der moderate Verbrauch, der bei größerem Tankvolumen eine Reichweitensteigerung bedeutet, sowie der neue LED-Scheinwerfer in polarisierender Optik. Er sorgt nicht nur dafür, dass alle, die ihn im Rückspiegel erblicken, brav den rechten Blinker setzen. Bei Dunkelheit gewährleistet er eine sehr breite und helle Ausleuchtung der Fahrbahn nach vorn. Davon sieht der Sozius reichlich, denn er thront weit oben in noch erträglicher Position, wenn auch auf hartem Polster. Die Rücksicht wiederum ist bei Nacht wie am Tag durch Vibrationen spätestens ab dreistelliger Geschwindigkeit getrübt – dem könnte man entgegensetzen, dass der Blick in den Rückspiegel der Super Duke ohnehin nur selten nötig ist.

Technische Daten
KTM 1390 Super Duke R Evo (2024)KTM 1290 Super Duke R Evo (2024)
Motor2, V-Motor2, V-Motor
Leistung140,0 kW / 190,0 PS bei 10.000 U/min132,0 kW / 179,0 PS bei 9.500 U/min
Hubraum1349 cm³1301 cm³
Leergewicht vollgetankt214 kg
Sitzhöhe834 mm835 mm
Grundpreis23.499 €22.249 €