Rückruf BMW R 1250 GS, GS Adventure und RT: Getriebe

Rückruf BMW R 1250 GS, GS Adventure, RT
Fahrverbot droht – Getriebe-Rückruf bei BMW

Veröffentlicht am 13.11.2023

Seit Januar 2023 läuft ein Rückruf bei BMW, der die Modelle R 1250 GS (Typ K50), R 1250 GS Adventure (Typ K51) und die Behördenausführung der R 1250 RT (Typ K52 RTP), jeweils ab dem ersten Modelljahr 2019 betrifft. Um das Brechen der Getriebe-Eingangswelle zu verhindern, setzt BMW eine angepasste Software für die Motorsteuerung ein. In Deutschland muss die Rückruf-Maßnahme bis Dezember 2023 durchgeführt werden, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) droht mit Betriebsuntersagung. Was das für betroffene Fahrzeugbesitzer und -besitzerinnen bedeutet sowie alle technischen Hintergründe erklärt MOTORRAD.

KBA droht mit Betriebsuntersagung

Im Herbst 2023 bekamen Besitzer und Besitzerinnen eines betroffenen BMW Motorrads Post vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). All jene, deren Fahrzeug in Deutschland zugelassen ist und noch nicht zur Durchführung der Rückruf-Maßnahme in der Werkstatt waren, hat das KBA aufgefordert, das unverzüglich zu erledigen. Von insgesamt 39.434 waren das Mitte November immerhin noch über 5.400, fast ausschließlich R 1250 GS und R 1250 GS Adventure. Weltweit betraf der Rückruf 256.452 Fahrzeuge, nach BMW-Angaben hatten bis Mitte November fast 200.000 das Software-Update bekommen.

Ähnlich streng wie in Deutschland sind Rückrufe in den USA geregelt, zuständig ist dort die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Laut NHTSA sind in den USA insgesamt 18.489 Fahrzeuge von diesem Rückruf betroffen.

Fahrverbot droht für über 5.000 BMW R 1250 GS

Den über 5.400 Fahrzeughaltern in Deutschland mit noch ausstehendem Rückruf droht das KBA eine Betriebsuntersagung nach §5 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) an, wenn sie die Rückruf-Maßnahme nicht bis spätestens 22. Dezember 2023 durch eine BMW-Motorrad-Vertragswerkstatt durchführen lassen. "Zu Ihrer Sicherheit und der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer", so das KBA.

Ernstes Unfall- und Verletzungsrisiko

Und weiter: "Nach Beurteilung durch das KBA geht von mit diesem Mangel betroffenen Fahrzeugen ein ernstes Unfall- und Verletzungsrisiko für den Verwender und Dritte aus. Das Fahrzeug ist unverzüglich durch eine BMW-Motorrad-Vertragswerkstatt überprüfen und gegebenenfalls instand setzen zu lassen. Das KBA überwacht diese Rückruf-Maßnahme des Herstellers und kontrolliert deren Durchführung an allen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen und betroffenen Fahrzeugen."

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KBA

Werkstatt-Besuch oder Zwangsstilllegung

Ähnlich wie bei den Software-Updates für Diesel-Pkw ist die amtlich angedrohte Sanktion für nicht durchgeführte Rückruf-Maßnahmen die Betriebsuntersagung. Dabei handelt es sich um die Vorstufe der Zwangsstilllegung, bei der dann die Plakette am Kennzeichen entfernt und die Zulassungspapiere eingezogen werden. Bereits die Betriebsuntersagung von der örtlich zuständigen Zulassungsbehörde bedeutet ein Fahrverbot im öffentlichen Verkehr. Und selbstverständlich sind die damit einhergehenden Formalitäten mit erheblichen Gebühren verbunden.

Die neue BMW-Software im MOTORRAD-Test

Rationale Gründe, die Rückruf-Maßnahme nicht durchführen zu lassen, gibt es in diesem Fall nicht. MOTORRAD hatte inzwischen Gelegenheit, die geänderte BMW-Software zu testen. Dabei verglich das Test-Team zwei BMW R 1250 GS – eine mit dem Software-Update, die andere noch auf dem vorigen Software-Stand. Um Placebo-Effekte, also eingebildete Unterschiede auszuschließen, wusste der Test-Redakteur vor dem Test nicht, welche der beiden GS das Update verpasst bekommen hatte.

Gangwechsel mit Quickshifter (Schaltassistent) geschmeidiger

Nach intensivem Vergleich beider R 1250 GS berichtet MOTORRAD-Test-Redakteur Philipp Genikomsidis: "Im Fahrbetrieb lassen sich bezüglich des Ansprechverhaltens und der Leistung keine spürbaren Unterschiede herausfahren. Anders sieht es bei zackigen Schaltvorgängen mit dem Quickshifter (Schaltassistent) aus: Beim Hochschalten geht die Schaltunterbrechung mit dem neuen Mapping deutlich geschmeidiger vonstatten. Der Schlag auf den Antriebsstrang nach einem Gangwechsel ist weicher, das Getriebe fühlt sich dabei fast wie eines mit Doppelkupplungssystem (DSG) an."

Sogar marginal mehr Leistung nach dem Update

Und Test-Redakteur Philipp Genikomsidis fügt hinzu: "Auf dem Prüfstand erreichte die R 1250 GS mit dem neuen Mapping sogar einen marginalen Leistungszuwachs. Im Fahrbetrieb war dieser jedoch nicht spürbar. Jedenfalls können etwaige Bedenken betroffener Fahrzeugbesitzer ausgeräumt und das Software-Update uneingeschränkt empfohlen werden. An Sportlichkeit oder Performance büßt der Antrieb damit nicht ein."

Gebrochene Getriebeeingangswellen

Bei den genannten, von der Rückrufaktion betroffenen Modellen kann in bestimmten Situationen die Getriebe-Eingangswelle brechen. Seit Oktober 2020 sind einige Fälle dokumentiert worden: in Italien, in den Niederlanden, in Frankreich, in Tschechien und in Großbritannien. In manchen dieser Fälle blockierte durch den Bruch der Getriebe-Eingangswelle das Hinterrad, was zu Stürzen und Verletzungen führte.

BMW Rückruf R 1250 GS Getriebe Eingangswelle (01/2023)
BMW

Ursachenforschung bei BMW

Bei BMW wurde rasch mit der Ursachenforschung begonnen, dabei kamen unter anderem spezielle Röntgengeräte und Elektronenmikroskope sowie diverse Laboranalysen des Metalls und dessen Beschichtung zum Einsatz. Der Zulieferer der Getriebeteile, das japanische Unternehmen Musashi, wurde bei den Untersuchungen selbstverständlich einbezogen. Ursachen oder Unregelmäßigkeiten konnten jedoch keine festgestellt werden.

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Überlastung der Getriebe-Eingangswelle

Weitere Analysen bei BMW ergaben, dass die Getriebe-Eingangswelle in bestimmten Situationen überlastet wird und dabei brechen kann. Bei diesen Situationen handelt es sich um schnelle Sprünge zwischen Motordrehzahl und Hinterraddrehzahl, etwa bei und vor allem nach Sprüngen im Gelände oder wenn unter Volllast Bordsteine überfahren werden und das Hinterrad für einen Moment den Bodenkontakt verliert.

BMW Rückruf R 1250 GS Getriebe Eingangswelle (01/2023)
BMW

Rückruf für GS, GS Adventure und Behörden-RT

Laut BMW kommen derlei Extremsituationen sowie die dadurch bedingten Lastspitzen im Antriebsstrang nur bei den Enduro-Modellen R 1250 GS (Typ K50) und R 1250 GS Adventure (Typ K51) vor. Und bei der bisweilen ähnlich strapazierten Behördenausführung der R 1250 RT (Typ K52 RTP). Hochskaliert wurde das Lastspitzenpotenzial durch das immer weiter gesteigerte Leistungspotenzial: Maximal 143 Nm Drehmoment sowie 136 PS stecken im 1250er-Boxer mit Shiftcam-Ventiltrieb. Die übrigen 1250er-Modelle R und RS sowie die zivile RT sind laut BMW Motorrad nicht betroffen.

Software-Update als Problem-Lösung

Im Rahmen einer "technischen Aktion", wie Rückrufe von BMW traditionell genannt werden, sollen die betreffenden Fahrzeuge ein Software-Update bekommen. Dieses Update wirkt auf die bereits vorhandene Schlupfregelung (ASC oder DTC) und auf die Motorsteuerung. Insbesondere soll das schnelle Hochdrehen des Motors unter Volllast, bei durchdrehendem Hinterrad verhindert und so der Drehzahlunterschied zwischen Motor und Endantrieb reduziert werden, für den Moment, wenn der Hinterreifen wieder greift.

Stellungnahme von BMW

Hier die Stellungnahme von BMW am 27. Januar 2023 gegenüber MOTORRAD: "BMW Motorrad hat bei laufenden Feldbeobachtungen festgestellt, dass es in seltenen Fällen bei wiederholten Fahrmanövern mit schlagartigen, hohen Drehzahlunterschieden zwischen Motor und Endantrieb (abruptes Abbremsen des Hinterrads bei höheren Motordrehzahlen, zum Beispiel beim Aufsetzen nach einem Sprung) zu einer Überlastung der Getriebeeingangswelle kommen kann. Die Welle kann in der Folge solcher wiederkehrenden Überlasten aufgrund eines auftretenden Schwingbruchs versagen. Im Falle eines Wellenbruchs sind kritische Fahrsituationen nicht auszuschließen.

Bei den betroffenen Fahrzeugen wird die bereits im Handel befindliche neueste Software zur Vermeidung höherer Drehzahlsprünge zwischen Getriebe und Endantrieb nachgerüstet. Dadurch werden Lastspitzen auf die Getriebewellen verhindert und das Getriebe so wirkungsvoll vor schädlichen Überlasten geschützt. Im Rahmen einer technischen Aktion rüstet BMW Motorräder der Modelle R 1250 GS und R 1250 GS Adventure des Fertigungszeitraums ab August 2018 bis Dezember 2022 sowie der Behördenversion der R 1250 RT des Fertigungszeitraums ab Juli 2018 bis Dezember 2022 mit einem neuen Softwarestand aus."

Kardan-Überprüfung ab Juli 2022

Im Juli 2022 wurde eine "Service-Aktion" von BMW Motorrad bekannt, die ebenfalls die GS, die GS Adventure und die Behördenversion der RT betrifft – allerdings nicht nur die 1250er, sondern auch die 1200er-Vorgängermodelle. Bei insgesamt circa 440.000 Fahrzeugen wurde oder wird der Kardan überprüft und eine Entlüftung nachgerüstet. Damit sollen Rostbildung und infolgedessen Defekte am hinteren Kreuzgelenk verhindert werden. In diesem Fall spielt nach BMW-Angaben ebenfalls die modellspezifische Materialbeanspruchung bei Enduros sowie bei Behördenfahrzeugen mit den damit einhergehenden Lastspitzen eine Rolle. Im Sommer 2023 hat BMW regelmäßige Kardan-Überprüfungen und sogar regelmäßige Kardan-Wechsel eingeführt.