Neuer Motor von MV Agusta hat 2 Kurbelwellen: Was ist ein U-Motor?

MV Agusta Cinque Cilindri - der neue Motor
Der neue 5-Zylinder von MV Agusta ist ein U-Motor

ArtikeldatumVeröffentlicht am 15.12.2025
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Es ergab zunächst keinen Sinn: MV Agusta plant einen neuen Super-Motor mit VR-Zylinderkopf und ergänzt dann eine zweite Kurbelwelle.

Mehr Reibung und Gewicht, damit fast keine Vorteile, so die ersten Reaktionen. Doch wer sich mit dem von MV Agusta benannten Konzept des U-Motors in Kombination mit einem VR-Motor beschäftigt, erkennt den fast genialen Ansatz dahinter.

Was ist ein VR-Motor?

Ein VR-Motor ist rein technisch ein V-Motor mit kleinem Zylinderwinkel. So ließ Lancia sich diese Bauweise 1915 patentieren und baute einen V4-Motor mit nur einem Zylinderkopf von 1922 bis 1976. Man stelle sich also einen V-Motor vor, dessen Zylinder nur einen Winkel von 10 bis 20 Grad haben. Die Bohrungen der Zylinderreihen stehen sich nicht gegenüber, sondern sind von oben betrachtet ineinandergeschoben.

So kommt der Motor mit nur einem Zylinderkopf aus, was Platz und Aufwand spart. Im Auto war diese Bauweise neben Lancia bei Volkswagen seit 1991 im Einsatz. Doch das VR-Konzept hat seine Schwachstellen.

Die Probleme des VR-Motors

Ein VR-Motor fordert einige Kompromisse, denn der Entwickler muss den Mittelweg aus Schränkung und Zylinderwinkel finden. Die Schränkung bezeichnet den Versatz der Kurbelwelle zur Zylindermittenachse, was nichts anderes bedeutet als: Pleuelfuß und Pleuelauge stehen an den Totpunkten nicht senkrecht zueinander.

Entsprechend erhöht das den Seitendruck des Kolbens im Zylinder, was Reibung und Verschleiß bedeutet. Diesen Druck senkt der Zylinderwinkel, der die Schränkung so etwas ausgleichen kann.

Je größer die Bohrungen werden, desto größer die nötige Schränkung samt Winkel. Doch wo die Zylinder sich am oberen Ende im Winkel spreizen, nähern sie sich am unteren Ende an, was den Winkel begrenzt.

In den bekannten VR-Konzepten von Volkswagen liegen Einspritzung und Krümmer auf den gegenüberliegenden Seiten des Zylinderkopfs. Das bedingt ungleich lange Gaswege beim Ladungswechsel, was das Abstimmen erschwert. Doch die thermischen Probleme überwiegen, denn die heißen Abgase der hinteren Zylinder müssen an den vorderen Brennräumen vorbei und heizen den Zylinderkopf zusätzlich auf.

Was ist ein U-Motor?

Als U-Motor wurden bis in die 1930er-Jahre Motoren bezeichnet, die im Grunde 2 Reihenmotoren in einem Kurbelgehäuse vereinten. Die beiden Kurbelwellen sind über Stirnräder verbunden, liegen gegenläufig und gleichen sich durch meist viele Zylinder aus. Die bekanntesten U-Motoren dürften die U16-Motoren von Bugatti aus den Rennwagen Ende der 1920er-Jahre sein. Als 4-Takt-Otto-Motor setzten sich allerdings Bauweisen mit nur einer Kurbelwelle durch.

Im Motorrad dürfte der U-Motor der Suzuki RG 500 Gamma der bekannteste sein, ebenso die 250er- und 350er-Motoren der Kawasaki KR-Renner. Alles Zweitakter, die ihre Kurbelgehäuse zum Vorverdichten nutzen. Als 4-Takter baute Ariel von 1931 bis 1956 einen 4-Zylinder-U-Motor im Modell Square Four ein.

Die Problemzonen des U-Motors sind schnell erzählt: Die zweite Kurbelwelle bringt zusätzliches Gewicht, Reibung und Massenmomente ein. Doch der "VR-U-Motor" von MV Agusta könnte einige Probleme des VR-Konzepts und des U-Motors lösen.

MV Agusta Cinque Cilindri als VR-U-Motor

Der Cinque Cilindri von MV Agusta verbindet den VR-Motor mit dem U-Motor. Die 5 Zylinder stehen in 2 Reihen. 3 vorn und 2 hinten. Doch nicht wie beim U-Motor parallel zu den Kurbelwellen, sondern wie beim VR-Motor liegen die hinteren Zylinder zum Teil in den Freiräumen der vorderen 3. So kann MV Agusta den Motor mit nur einem Zylinderkopf konstruieren, ein wesentlicher Unterschied zu früheren U-Motoren mit separaten Zylinderköpfen.

Durch die zweite Kurbelwelle für die hinteren beiden Zylinder muss MV Agusta die Kurbelwelle nicht zwingend schränken und kann so den Zylinderwinkel in Richtung 0 Grad tendieren lassen. Und das Schränken sogar dazu nutzen, um dem Motor mehr Leistung oder mehr Laufruhe einzuhauchen.

Bekannte U-Motoren im Motorrad hatten bisher eine gerade Zylinderzahl von 2 oder 4, was je nach Konfiguration der Kurbelwelle mindestens eine Ausgleichswelle verlangte. Doch mit dem Ansatz der 5 Zylinder könnte MV Agusta das Thema sehr effektiv verarbeiten. Angenommen, die 3 Zylinder vorn liefen mit jeweils 120 Grad Hubzapfenversatz – wie beim klassischen Triple – und die hinteren beiden Zylinder als klassischer Gegenläufer, wären Massenmomente erster und zweiter Ordnung ausgeglichen, weiterhin die Massenkräfte erster Ordnung.

Übrig blieben die Massenkräfte zweiter Ordnung der hinteren Kurbelwelle, also die Schwingungen, die die Pleuel erzeugen durch ihre unterschiedlichen Beschleunigungen je Hubrichtung.

Thermisch besser konstruiert

Das Problem der ungleichen Längen der Gaswege im klassischen VR-Motor und die thermische Belastung durch lange Abgaswege löst MV Agusta mit dem VR-U-Konzept theoretisch auf. Die Einspritzung und damit die Ansaugkanäle sitzen im gedachten V des VR-Kopfs, also in der Mitte. Entsprechend liegen beim Querstrom-Zylinderkopf die Auslasskanäle für die 3 Zylinder vorn ebenda und für die 2 Zylinder in Fahrtrichtung hinten.

Also muss das Abgas der hinteren Zylinder nicht durch den Kopf strömen und das Frischgas für die vorderen Zylinder ebenfalls nicht.

Doch das ist nicht die einzige Innovation zum Kühlen des Motors. MV Agusta möchte die Pumpen für Wasser und Öl elektrisch antreiben. Das senkt zum einen die innere Reibung der sonst mechanisch angetriebenen Aggregate und kann zum anderen die Effizienz erhöhen, wenn die Pumpen nur laufen, wenn nötig – wobei letzteres lediglich für die Wasserpumpe gilt.

Kann das funktionieren?

Grundsätzlich funktionieren VR-Motoren und U-Motoren mechanisch und im Speziellen als Antrieb für ein Motorrad. Der Kombination aus beiden Bauweisen von MV Agusta steht daher kaum etwas im Weg. Ein Motor mit 5 Zylindern und über 240 PS, der nur so breit baut wie ein Triple, hat ebenso Vorteile wie ein V5 mit sehr gut ausgeglichenen Massen.

Und selbst dem Einsatz als Rennmotor steht kaum etwas im Weg, da in den Reglements die Zahl der Kurbelwellen nicht beschränkt ist. Einzig die Zahl der Zylinder in Relation zum Hubraum ist die Hürde, und hier könnte der 5-Zylinder als Superbike-Antrieb scheitern. Mechanisch allerdings nicht, wobei die zwingend über dem Zylinderkopf sitzende Einspritzung nebst Luftsystem die Konstrukteure herausfordern könnte, um die Bauhöhe unter dem Tank im Zaum zu halten.

Fazit