Und sie gehen doch kaputt. Also fast. Zwar hängt dem gemeinen Hubkolbenmotor in seiner Grundfunktion das Label "Auskonstruiert" an, und wenn heute noch etwas schiefgeht, sind es Teile der Peripherie. Doch seit 2020 gab es 13 Rückrufe auf motorradonline.de, die den Rumpfmotor oder das Getriebe zum Anlass hatten, also Baugruppen, für deren Konstruktion der Hersteller im Grunde allein zuständig ist.
Rückruf oder Risiko?
Allen Meldungen zu Rückrufen folgt meist die Frage: Erfolgt dieser, weil der Hersteller muss oder möchte? Also, wird der Rückruf aus Sicherheitsgründen verlangt, etwa von der amerikanischen Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA, von der EU oder dem KBA? Oder weil der Hersteller transparent mit dem Kunden kommunizieren möchte? Und mindestens ebenso spannend: Wie viele Rückrufe erfolgen nicht, weil der Hersteller es weder muss noch möchte? Wird da also ein Risiko auf Zeit in Kauf genommen, anstatt einen teuren Rückruf zu starten? Mit Blick in manches Forum scheint diese Frage berechtigt. Denn von bestimmten Modellen wird reihenweise von Motorschäden berichtet – und der Hersteller unternimmt nichts.
Entsprechend kann ein Rückruf zwar als Mangel der Qualität angesehen werden, aber auch als transparenter Kundenservice. Das Ergebnis ist dasselbe: Das Motorrad geht in die Werkstatt und für den Kunden entstehen dabei meist keine Kosten.
13 spannende Rückrufe von Motoren
Kawasaki Ninja ZX6-R: Lagerschaden droht
Jüngstes Beispiel ist der Rückruf der Kawasaki Ninja ZX6-R vom Sommer 2025, wegen eines mechanischen Problems des Motors. Die Schrauben einer Lagerschale des Kurbelwellenhauptlagers sind wohl zu fest angezogen worden, was das Lagerspiel im ungünstigen Falle zu sehr verkleinert. So ist der Schmierfilm im Gleitlager im Falle des Falles zu dünn, was in einem Lagerschaden enden kann.
Im schlimmsten Falle frisst die Welle im Lager und blockiert. Eine Lösung für das Problem hat Kawasaki bis Ende Juni weiterhin nicht. MOTORRAD vermutet, es ist einfacher, die kompletten Motoren zu tauschen, als eine OP am offenen Herzen mit dem Tausch des Hauptlagers.
Honda GL 1800 Gold Wing: Schraube zu schwach
Ein sehr interessanter Fall eines Rückrufs betraf die Honda GL 1800 Gold Wing Ende 2024. Meldungen und Untersuchungen von Honda ergaben eine zu schwache Schraube, die den Zündrotor hält. Der Rotor ist an das hintere Ende der Kurbelwelle geschraubt und der zu schwache Stahl der Schraube kann versagen, was den Ausfall der Zündung und im schlimmsten Falle eine Blockade des Primärantriebs durch herunterfallende Teile nach sich zieht.
Weltweit waren über 37.000 Motoren der Baujahre 2017 bis 2021 betroffen, in Deutschland mussten 1.085 Gold Wings dem Rückruf folgen. Die Maßnahme umfasste wohl den Ausbau des Antriebs, um eine neue Schraube einzubauen.
BMW R 1300 GS: Motorschrauben lose?
Außergewöhnlich war der Rückruf der BMW R 1300 GS aus dem März 2025, denn es wurden 52 Motoren getauscht. Der Grund war allerdings kein fehlerhaftes Bauteil oder ein Konstruktionsfehler, der einen Motorschaden nach sich ziehen könnte, sondern: BMW erkannte ein Problem der Dokumention in der Montage und konnte daher nicht zweifelsfrei nachvollziehen, ob die Pleuelschrauben mit dem korrekten Moment angezogen wurden. Und da den lokalen Werkstätten nicht zugemutet werden sollte, den komplizierten Boxer so weit zu zerlegen, um das Anzugsmoment zu kontrollieren, wurden die Motoren komplett getauscht.
BMW R 1250 GS, GSA und RT: Getriebeschaden drohte
Ganz am Ende des Modellzyklus der 1250er-Reihe musste BMW die R 1250 GS, Adventure und RT zurückrufen. Grund waren Vorfälle, in denen die Getriebeeingangswelle brach. Im Gelände konnte bei der GS bei Landungen unter hoher Last das Getriebe versagen und bei der RT – besonders der Behördenversion – bestand das Risiko, wenn von Bordsteinen gefahren wurde und das Hinterrad kurz den Bodenkontakt verlor. Abhilfe schaffte BMW durch eine neue Software der Traktionskontrolle, die das Durchdrehen des Hinterrads ohne Bodenkontakt verhindern sollte.
Moto Guzzi V85 TT: Titan-Ventile fehlerhaft
Klein, dennoch fein war der Rückruf der Moto Guzzi V85 TT und der TT Travel. Eine kleine Reihe der Einlassventile aus Titan war nicht nach den Vorgaben gefertigt, und es bestand die Gefahr eines Schadens am Zylinderkopf. In Deutschland waren zwar nur 60 bis 70 Motoren betroffen, erwähnenswert ist dieser Rückruf dennoch. Teil des Rückrufs war der etwaige Tausch der Zylinderköpfe, wenn sie schon einen Schaden hatten.
Aprilia RS 660 und Tuono 660: Motor getauscht
Ebenfalls aus dem Hause Piaggio kam ein Rückruf an die Halter früher 660er-Motoren in der RS 660 und Tuono 660. An gut 700 Motorrädern weltweit wurden die Motoren getauscht und die Garantie erneuert, da ein Motorschaden in den USA durch ein abgerissenes Pleuel auftrat. Eine Charge fehlerhaft gehärteter Pleuel war die Ursache. Und erneut war es für den Hersteller wohl einfacher, den kompletten Antrieb zu tauschen, als die Pleuel aufwendig auszubauen. In Deutschland waren 110 Motorräder betroffen.
BMW S 1000 RR: Zylinderkopf getauscht
Anfang 2020 musste BMW die Zylinderköpfe an einer größeren Zahl von S 1000 RR mit dem Shiftcam-Motor von 2020 tauschen. Die genaue Menge ist nicht bekannt, da BMW anhand der Motornummer selektiert. Grund waren fehlerhaft gefertigte Einlassventile, deren Schäfte zu rau waren und die Ventilführung frühzeitig verschlissen. Bitter: Nach dem Tausch der Zylinderköpfe in der Werkstatt mussten diese Motorräder erneut in die Werkstatt, da die Schlepphebelwelle nicht korrekt angezogen wurde.
Ducati Multistrada V4: Motor getauscht
Ebenfalls direkt den kompletten Motor tauschte Ducati 2021 an der Multistrada V4 und V4 S. Der Grund: Die verbauten Ventilführungen waren teils schadhaft und verschlissen zu schnell. Das Besondere: Ducati lieferte keine Motoren zum Tausch, sondern holte die betroffenen Motorräder nach Bologna zum komplizierten Tausch des Antriebs. In Deutschland waren nur gut 60 Motorräder betroffen, in den USA waren es 65.